Jenseits aller Sensationen
Emotionen überall. Die Hauptsachen springen dem Betrachter ins Gesicht wie wilde Tiere. Das Wichtige bleibt hängen. Action. In Michael Zibold`s eindrucksvollen schwarzweissen Fotografien wird die Wertepyramide auf die Spitze gestellt. Das scheinbar Nebensächliche wird in den Mittelpunkt gerückt, seine Protagonisten bevölkern Nischen und Schatten, sie sind die eigentlichen Hauptdarsteller dieser fröhlichen Welt, von Stars und Sternchen.
Ob Napoli, Istanbul, New York, Shanghai, Rio de Janeiro oder Marseille: die Steine, das Glas der Städte, vor allem Ihre Bewohner haben es diesem Fotogafen angetan. In der Stadt, dem Olymp menschlichen Handelns, streift Zibold umher, sucht mit sicherem Instinkt und Gefühl die Plätze auf, deren steile Kontraste ihn sogleich gefangen halten, die er mit dem Normalobjektiv umsetzt. Von Gefühlen geleitet, entstehen Momentaufnahmen, die schon im nächsten Moment wieder anders aussähen. Die ausschnitthafte, diagonale Komposition vieler Bilder gibt mehr von dem frei, was gemeinhin verborgen bleibt. Spiegel und Fenster, Schatten und Schriften sind mit den Menschen bevorzugte Sujets. Die verstellte Sicht auf das Leben öffnet eine umfassendere Totale, denn das bekannte Panorama. Der Ausschnitt eines Stückes Welt beinhaltet auch schon alle anderen möglichen Perspektiven.
In diesen Fotografien bilden Rand und Lücke das Zentrum. Sie sind bestimmter Teil der künstlerischen Komposition. Die Lücke definiert das Fehlende als das Entscheidende, das die Mitte, das Zentrum, der Hype nie erreichen kann. Die Ränder bezeichnen immer Ende und Übergang, mithin eine optimistische Sicht.
In diesem Sinn sind die Fotos dieses sensiblen Weltenguckers den Menschenstädten ein schwarzer Spiegel. Sie zeigen unvermittelt und hart was übrig bleibt, woraus Zukunft entsteht. Jenseits aller Sensationen. Jenseits kultureller Untersschiede.
Die Bilder von Michael Zibold bringen uns Orte, Gesichter und Szenarien zur Ansicht, die in uns zur Erinnerungen werden, ohne dass wir seinerseits anwesend waren. Von seinem Instinkt für das Nebensächliche geleitet folgt man der Spur dieses Fotografen durch den urbanen Dschungel. Man endeckt Ruhe, Stille und die oft erschreckende Sicht auf einen eingefrorenen Augenblick.
Prof. Martin Kreyßig
1957 geboren in Offenburg
1978 Abitur
1980-81 Fotoassistent Berlin
1981-84 Fotografiestudium Stuttgart
1984-86 New York
1986-88 Milano
1989 Tokyo
1989 Hamburg
1987 Galerie Media Press Milano; Fashion Pictures
1980 Galerie PPS Hamburg; Groupshow Selbstportrait
1991 Galerie Grauwert Hamburg; New York
1997 Galerie Barmherzigkeit Hamburg; Menschen in Städten
1998 Galerie Barmherzigkeit Hamburg; Calcutta – Havanna
2000 Grundbuchhalle Hamburg; Drei Ansichten von Kalkutta
2003 Imago Fotokunst Berlin; Hafenstädte
2003 Museum Altona; Orte am Wasser
2005 Galerie Robert Morat Hamburg, Buenos Aires
2011 Handelskammer Hamburg. Passagen
2012 Galerie Hiltawsky Berlin, Passagen